Ab 1942 wurden die Kärntner Slowenen in Aussiedlungslager deportiert. Ihre Höfe wurden “Heim ins Reich“ kehrenden deutschstämmigen Menschen, die aus dem Kanaltal stammten, gegeben. Dies wurde von Heinrich Himmler angeordnet. Viele Höfe kamen laut dem Verband ausgesiedelter Slowenen auch in die Hände von Einheimischen oder deutschen Parteimitgliedern. Der politische Background war der sogenannte „Generalplan Ost“. Nach „dem großen Sieg“, hätten die Kärntner Slowenen nach dem „Generalplan Ost“ als Sklaven arbeiten müssen. Es sei vorgesehen gewesen, “dass [im Osten] 30.000.000 slawische Sklavenarbeiter das Land bebauen“, erklärt Sturm-Schnabl. Mehr als 900 Kärntner Slowenen wurden Mitte April 1942 in Aussiedelungslager in Deutschland und Polen deportiert. 84 kamen nach Angaben des ORFs Kärnten in Konzentrationslager.

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Katja Sturm-Schnabl wurde mit ihrer Familie von den Nazis in Lager verschleppt.

Bojan Schnabl

Zunächst erzählt Sturm-Schnabl die Geschichte ihrer Deportation.

Die Deportation

„Es war an einem ganz normalen Tag, wir waren vier Kinder damals. Wir lebten auf einem recht großen Hof. Also waren wir an diesem Donnerstag, einem 14. April, zuhause und wir haben irgendwas herumgespielt und auf einmal wird die Haustüre aufgestoßen und es stürmen schwer bewaffnete Männer herein und brüllen und brüllen mit so kreischenden Stimmen. [N]ach dem vielen kreischenden Gebrüll haben sie uns aus dem Haus hinausgetrieben, meine zwei Tanten, meine Eltern und uns vier Kinder und wir wurden so links und rechts eskortiert von diesen schwerbewaffneten Männern. [I]rgendwann habe ich zu meinem Vater hochgeschaut und dann habe ich gesehen, dass er ganz grau-grün im Gesicht war und völlig verfallen und mich hat so ein richtiger Schreck durchfahren und habe mir gedacht ah mein Vater, der kann mich nicht mehr beschützen.“

Ein Bus brachte sie zu einem provisorischen Barackenlager, mit nichts zum Liegen außer Stroh am Boden, dem Sammellager Ebenthal bei Klagenfurt, wo sie auch auf die Großmutter traf, die den Verstand verloren hatte.

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Die zwangsweise Ausgesiedelten im Klagenfurter Sammellager in der Ebentalerstraße am 15. April 1942.

Archiv des Slowenischen wissenschaftlichen Instituts in Klagenfurt (ASZI), Fotosammlung, Zwangsweise Aussiedlung.

„Und dann [nach] 2 Tagen wurden die Leute aus dem Lager weggebracht, hinter dem Lager war ein Bahnhof und dort standen die Viehwaggons und dort wurden wir hineingepfercht, in jeden Waggon so viele Leute, so viele eben hineingingen. Und ich kann mich noch genau an den Moment erinnern wo die Schiebetüre zugemacht wurde. Dann war auf einmal Panik und Gekreische und Schluchzen und also eine apokalyptische Stimmung. [Die Fahrt] hat sehr sehr lang gedauert. Und dann sind wir eben in den Ort gekommen, der heißt Rehnitz, das ist heute in Polen.

Auch an das Lager hat sie noch viele Erinnerungen:

„Eine ist die, dass nach der Ankunft alle Menschen in den Keller hinuntergetrieben wurden und dort waren Duschanlagen und da mussten sich halt alle nackt ausziehen, diese armen, zum Teil alten, Kärntner Bäuerinnen, die das überhaupt nicht gewohnt waren, mussten unter diesem Schreien und dem Befehlston von irgendwelchen Aufseherinnen und Aufsehern duschen.“

Tiere, Menschen oder nichts davon?

Im Lager in Eichstätt wurden dann alle Menschen ab 14 zur Zwangsarbeit eingeteilt.

„Bis 13 waren die Kinder im Lager und es war ein striktes Bildungsverbot, es durfte niemand unterrichten, für den Generalplan Ost brauchten sie ja keine Kenntnisse. [Der] Lagerführer hat in Abständen immer Appelle gehalten. Dann hat er sich halt irgendwie so auf einen erhöhten Platz gestellt und hat gebrüllt. Diese Nazis haben immer gebrüllt. So mit so krächzenden Stimmen gebrüllt. Also das erzählen ja auch alle Leute [die im] KZ [waren]. [I]ch kann mich erinnern, weil das eben so war dieses Brüllen und dieses eigenartige Benehmen, dann habe ich mir irgendwann einmal gedacht, komisch die können nicht reden, die gehen nicht normal und dann habe ich immer überlegt, Menschen können das nicht sein, dann habe ich überlegt, sind sie eine Tierart. Dann habe ich mich an unsere Tiere erinnert. Also Tiere sind sie auch nicht, Tiere sind was Gutes und jetzt im Alter denke ich mir eigentlich habe ich als Kind recht gehabt. Diese Nazis, die waren entmenscht, deshalb waren sie keine Menschen mehr und Tiere sowieso nicht.“

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Jugendliche und ein Invalider vor dem Verwaltungsbüro im Lager Eichstätt.

Archiv des Slowenischen wissenschaftlichen Instituts in Klagenfurt (ASZI), Fotosammlung, Zwangsweise Aussiedlung.

Die Ermordung der Schwester

geschah ebenfalls im Lager in Eichstätt, wo laut dem Verband ausgesiedelter Slowenen auch Experimente an sterbenden Kindern durchgeführt wurden, an welchen sie letztendlich starben.

„[E]ine schlimme Geschichte war ja immer, wenn jemand krank geworden ist, es hat zwar einen Lagerarzt gegeben, aber je nachdem was es für eine Krankheit war, sind halt viele gestorben, Kinder und so, weil es ihnen ja egal war. Da war mal eine Scharlachepidemie im Lager, meine [damals achtjährige] Schwester [Veri], die ist krank geworden und meine Mutter hat sie eben zum Lagerarzt gebracht und sie hat sie so im Arm gehalten und der Lagerarzt hat gesagt so „Wollen wir mal gucken“, und er hat ihr eine Injektion gegeben und das Kind war auf der Stelle tot und das war natürlich etwas was bis heute nachwirkt. [Meine Mutter] hat es ja bis zum Lebensende nicht überwunden und sie hat nie wieder gelächelt. Nie wieder, nie wieder.“

Die Unwillkommenen

Die Amerikaner befreiten Katja Sturm-Schnabl und ihre Familie 1945. Danach kam die Familie nach Österreich zurück. Insgesamt sind nur wenige Überlebende der NS-Verfolgung nach Österreich zurückgekommen – aus guten Gründen. Klaus Mihacek, ärztlicher Leiter der Ambulanz von ESRA, dem psychosozialen Zentrum für von der NS – Verfolgung und aus anderen Gründen traumatisierten Menschen in Wien, sagt viele Menschen seien erneut traumatisiert worden, aufgrund der Reaktion der überlebenden Bevölkerung hier. „Sie wurden nie willkommen geheißen, sie wurden weiter diskriminiert und abgelehnt und es hat wirklich eine enorme Kraft und Willen gebraucht, dass man sich trotzdem hier eine neue Existenz wiederaufgebaut hat“, erklärt Mihacek. Positive Erfahrungen sollen heute Zurückkehrende im Altersheim des jüdischen Maimonides-Zentrums Wien machen. Elisabeth Grünberger, die dort klinische Leitung des Praktikums innehat, sagt, dass man das Heim als Elternheim bezeichne. “Also, dass Menschen aus der ganzen Welt hier wieder nach Hause kommen, wo sie früher Verwandte gehabt haben und wo sie jetzt wieder Freunde treffen von ganz früher und die Zeit dazwischen in anderen Ländern gelebt haben oder gelebt haben mussten.”

Die Menschen in Österreich hießen Katja Sturm Schnabel und ihre Familie 1945 nicht willkommen:

„Wir sind dann in Villach angekommen und dazwischen hat ja wieder die Kärntner Landesregierung funktioniert, die Beamten waren natürlich dieselben, die haben die Engländer, die die ja die Besatzungsmacht in Kärnten waren dahingehend informiert, dass das lauter Kriminelle sind und gar nicht hierhergehören. Und dann sind die englischen Soldaten [mit Gewehr im Anschlag] vor den Waggons gestanden und wollten uns nicht aussteigen lassen. Wir sind trotzdem ausgestiegen und haben eineinhalb Tage dort am Boden ausgeharrt und haben uns nicht vertreiben lassen bis die Engländer aufgeklärt waren, bis sie gesehen haben was das war. Zuhause hat es sehr traurig ausgesehen, erstens einmal war das bevölkert von irgendwelchen ungarischen Soldaten und dann waren die Tiere nicht mehr da, [derjenige der den Hof von den Nazis bekommen hatte], ist wieder nach Italien zurückgegangen und hat alles mitgenommen was nicht niet- und nagelfest war.“

Diskriminiert in Schule und Beruf

Katja Sturm-Schnabl, die alle 4 Volkschuljahre in einem Jahr absolviert hat und es bis zur Habilitation geschafft hat, spricht von weitergehender Diskriminierung als „Lagerkind“ in der Schule und später:

„[I]n Österreich bin ich mehr oder minder doch sehr diskriminiert worden. Auch beruflich. Ich habe zum Beispiel relativ viel gemacht so, ich glaube international bin ich sogar bekannt als Slawistin, aber ich habe nie einen Posten bekommen. Und da ist mir diese Holocaustvergangenheit immer auf den Kopf gefallen, weil statt jetzt mich auf die Füße zu stellen, habe ich mich zurückgezogen.“

Trotzdem habe sie auch viele positive Erfahrungen gemacht: []ch habe mir sehr viel Schönes erarbeitet und eigentlich eine wunderbare Zeit gehabt als Lehrerin. Auch heute hat sie noch einige Diplomanden und einen „ganz tollen Dissertanten“.

Informationen wie Menschen im Alter mit ihren Erinnerungen an die NS-Verfolgung umgehen und wie Katja Sturm-Schnabl die derzeitige politische Situation sieht, finden Sie hier.

Magdalena Pichler
Magdalena Pichler Magdalena Pichler hat einen Bachelor in Theater-, Film und Medienwissenschaften und einen Master in Politikwissenschaft. Artikel von ihr wurden in den Salzburger Nachrichten, der Wiener Zeitung, den Niederösterreichischen Nachrichten, der Österreichischen Musikzeitschrift und auf wien.orf.at veröffentlicht. Derzeit ist sie bei ORF III Kultur und Information tätig. Für OIDA ging sie der Frage nach, wie sich das Erleben und Überleben der NS-Verfolgung im Alter auswirkt und durfte ein Gespräch mit einer Zeitzeugin führen.